Eva Morlang im Unverpackt-Laden

Autorin Eva Morlang beim Einkaufen im Unverpackt-Laden © Eva Morlang

Artikel | Eva Morlang

Wie du leben musst, wenn die Erde auch noch für deine Kinder da sein soll

Unsere Autorin Eva hat über die Zukunft nachgedacht. Jetzt isst sie kein Fleisch mehr und lehnt sogar Muffins ab. Zumindest für eine Woche.  

Zusammenfassung

  • Eva ermittelt online ihren CO₂-Fußabdruck. Jetzt weiß sie: Wenn alle so leben würden, bräuchten wir 2,8 Erden.
  • Eine Woche lang auf Fleisch und andere Dinge zu verzichten, ist eine Herausforderung - schont aber die Umwelt.
  • Nach einer Woche hat Eva ihren CO₂-Fußabdruck schon verbessert. Aber da geht noch was.

Der große Plan: die Welt ein wenig retten.

Warum ich mein Leben für eine Woche ändern möchte. Weiterlesen


Tag 1: Meine Spielregeln

An diese Regeln werde ich mich jetzt für eine Woche halten. Weiterlesen
 

Tag 2: Unverpacktes & Unbekanntes 

Wenn man Gemüse ohne Verpackung kauft, schont man die Umwelt. Aber geht das überhaupt? Weiterlesen
 

Tag 3 und 4: Geduld ist die Mutter des Brotteigs & Bonusmeilen und Fußschmerzen

Regionales Gemüse, Zeit für Teig und ein Geständnis. Ein Urlaub auf den Philippinen bringt mich in Schwierigkeiten. Weiterlesen
 

Tag 5, 6 und 7: „Muffinsausen, Alles top? & Frühstücksdiskussionen

Kein Kuchen, kein Käse, Diskussionen zum Frühstück und Mode aus zweiter Hand. Weiterlesen
 

Tag 8: Die Stunde der Wahrheit

Was bringt es, wenn man eine Woche auf Fleisch und Michprodukte verzichtet, Verpackungen weglässt und auch sonst kreativ im Weglassen ist? Das Ergebnis haut mich um. Weiterlesen


Der große Plan: die Welt ein wenig retten

Wenn alle so leben würden wie ich, bräuchten wir fast drei Erden! Obwohl ich kein Auto habe und wir in meiner Studenten-WG Ökostrom nutzen, ist mein Lebensstil nicht besser als der des durchschnittlichen Deutschen. Das sagen zumindest die bunten Balken auf meinem Bildschirm, die nun für eine Woche mein Leben bestimmen werden.

Wie verändert sich die Erde? Haben wir genug Wasser und genug Anbauflächen, um die ganze Weltbevölkerung zu versorgen? Darüber kann man stundenlang diskutieren, Theorien aufstellen und Ideen spinnen. Oder man kann bei sich selbst anfangen. Um zu testen, wie viel ich von unserer Erde verbrauche, messe ich online meinen CO₂-Fußabdruck. In einem Fragebogen gebe ich an, wie oft ich mit dem Auto fahre, wie ich mich ernähre, und andere Dinge, die Software rechnet mir dann aus, wie viel Erdfläche beansprucht wird, damit ich heizen, duschen, Bus fahren und shoppen kann.

Mein Plan: Eine Woche lang lebe ich so, dass mein Fußabdruck so klein wie möglich ist. Und dann messe ich noch mal. Challenge accepted!


Tag 1: Meine Spielregeln

Die Wissenschaftler, die sich den Fußabdruck als Maßeinheit ausgedacht haben, haben ausgerechnet, dass jeder Mensch auf der Erde 1,8 Hektar zur Verfügung hat. Theoretisch zumindest, denn die Wirklichkeit sieht anders aus. Mein Fußabdruck entspricht genau dem Durchschnitt in Deutschland: fünf Hektar, in etwa so viel wie sieben Fußballfelder. Wenn alle so leben würden wie ich, bräuchten wir genau 2,8 Erden! Ich war mir eigentlich ziemlich sicher, dass ich unter dem Durchschnitt sein würde. Immerhin habe ich kein Auto und nutze Ökostrom.

Checkliste

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Ein paar bunte Balken zeigen mir an, was am meisten für den hohen Wert verantwortlich ist – der dickste Balken heißt: Ernährung. In der Erklärung steht: „Für die Produktion von Fleisch und Milchprodukten fallen mehr als 40 Prozent der durch Ernährung verursachten Treibhausgase an.“

Ich esse nicht oft Fleisch, aber schon ab und zu. Käse liebe ich. Und ich kaufe nicht besonders viel Bio. Da muss ich anscheinend was ändern. Ein paar andere Tipps finde ich auch noch, so dass ich am Ende folgende Regeln aufstelle für meine Woche aufstelle:

Erste Maßnahme noch am selben Abend: Vorm ins-Bett-Gehen den PC richtig herunterfahren, nicht bloß auf Stand-by. Außerdem schalte ich die Mehrfachsteckdose aus.


Tag 2: Unverpacktes & Unbekanntes

Leerer Kühlschrank – ich muss dringend einkaufen. Ohne Verpackung, ohne Fleisch und ohne Milchprodukte, denn das alles vergrößert meinen Fußabdruck. In Mainz gibt es seit Kurzem einen Unverpackt-Laden. Ich packe leere Gläser und Dosen in meinen Einkaufskorb, ganz altmodisch. Und eine leere Flasche, um mir Öl abzufüllen. Außerdem kaufe ich Mehl, morgen will ich mal Brot backen. Die Zucchini kommen aus Spanien. Ich stelle mir Lastwagen vor, die mein Essen über tausende Autobahnkilometer transportieren und entscheide: heute keine Zucchini. Mir graut ein bisschen vor der Summe, als ich an der Kasse stehe. Aber dann bin ich überrascht. Nur sechs Euro für einen vollen Omi-Einkaufskorb. Mit Biosiegel und ohne Verpackung.

Zitat

Die Zucchini kommen aus Spanien. Ich stelle mir Lastwagen vor, die mein Essen über tausende Autobahnkilometer transportieren und entscheide: heute keine Zucchini.


Eva

Ich komme mit einem Bärenhunger zu Hause an. Nudeln gehen am schnellsten. Ich denke an meinen Nichts-wegwerfen-Vorsatz und ich mich, die Kartoffeln leer zu machen, die schon länger im Schrank liegen. Am Ende steht ein dampfender Auflauf vor mir, vegan mit Sojasahne. Ziemlich lecker!


Tag 3: Geduld ist die Mutter des Brotteigs

Morgens gehe ich auf den Markt, bringe meine eigenen Plastiktüten mit. Ich hätte Lust auf Avocado, aber die kommt aus Peru. Stattdessen nehme ich Radieschen, Gurken und Tomaten. Danach kaufe ich im Bio-Supermarkt Hafermilch, Trockenhefe und einen veganen Brotaufstrich.

Mit meinem selbst abgefüllten Mehl knete ich einen Hefeteig. Meistens bin ich zu ungeduldig. Heute lasse ich ihm mal schön viel Zeit zum Aufgehen, während ich noch mal in die Uni muss. Ich treffe mich mit Freunden in der Mensa und esse einen veganen Eintopf, den mag ich sowieso ganz gern. Nach meinem Seminar wird der Teig noch mal geknetet, darf dann noch mal gehen. Na, wenn das jetzt nicht gut wird …

Am Abend bin ich zum Sushi-Machen verabredet. Das hat mir eine Freundin zum Geburtstag geschenkt. War schon länger vereinbart als mein Experiment.

Tag 4: Bonusmeilen und Fußschmerzen

Meine Mutter ruft an, um mit mir über unsere nächste Reise zu sprechen: Meine Schwester geht für vier Monate als Volunteer auf die Philippinen, und wir wollen sie dort besuchen. Wenn ich an den Flug denke, sehe ich schon vor dem inneren Auge, wie weitere Fußballfelder zu meinem Platz auf der Erde hinzukommen. Au, da tut mein CO₂-Fuß direkt weh. Aber ich kann ja schlecht hinschwimmen.


Tag 5: „Muffinsausen“

Gestern hat mir meine reizende Mitbewohnerin einen Kuchen gebacken, leider war Joghurt drin. Daher sind heute tierische Produkte tabu. Abends habe ich Chorprobe. Als ein Freund seine Geburtstagsmuffins rausholt, lehne ich dankend ab und beiße stattdessen in mein selbstgebackenes Brot mit Margarine. Ganz schön unbefriedigend...

Tag 6: Alles top?

Wir sind mit dem Chor auf einer kleinen Konzertreise und schlafen in Hotels. Ich habe eine absolute Schwäche für Frühstück! Der Käse auf dem Buffet sieht verdammt gut aus, ein bisschen muss ich probieren. Ob das, was ich hier esse, bio, regional oder saisonal ist, kann ich natürlich nicht überprüfen. Immerhin gibt es vegetarische Aufstriche, damit schmiere ich mir Brote als Proviant. Richtig gutes Brot haben die hier, besser als mein selbst gebackenes.

Nachmittags fällt mir auf, dass ich für das Konzert abends noch dringend ein schwarzes Top brauche. Also – na klar – schnell bei H&M rein. Das schlechte Gewissen meldet sich sofort. Immerhin, in den letzten Monaten war ich kaum shoppen, meinen neuesten Sommerrock habe ich im Secondhand- Laden gekauft und ein T-Shirt auf dem Flohmarkt.

Tag 7: Frühstücksdiskussionen

Am Frühstückstisch erkläre ich den anderen, warum ich gerade keine Milchprodukte esse. Das löst teilweise Unverständnis aus. Und eine Diskussion von der Sorte, die ich nicht mag: Ein älterer Herr ist überzeugt, Vegetarier hätten Mangelerscheinungen. Marleen, die kein Fleisch isst und eigentlich schon eher öko ist, argumentiert, dass das Flugzeug in ihr Urlaubsland ja auch ohne sie fliege. Na toll, da kann ich auch sagen „Das Schwein wird ja auch ohne mich geschlachtet.“. Das kann’s ja wohl auch nicht sein.


Tag 8: Die Stunde der Wahrheit

Nach einer Woche bin ich zurück am Ausgangspunkt meines Experiments. Wieder sitze ich vor dem Fragebogen, mache Kreuzchen und tippe Zahlen ein. Ich gebe alle Punkte so an, wie ich sie in der letzten Woche umgesetzt habe. An meine To-do-Liste habe ich mich ziemlich gut gehalten, nur das mit dem Fliegen kriege ich nicht hin. Mit schlechtem Gewissen tippe ich die geflogenen Kilometer vom letzten Jahr ein.

Konfi

Konfi © Konfi

Wow, das haut mich jetzt um – eine ganze Erde weniger! Ich bin jetzt bei 1,8 statt bei 2,8 Erden. Und was ich geändert habe, war fast nur das Einkaufen und Essen.

Meine Ernährung hat vorher ein Drittel meines Fußabdrucks ausgemacht. Fast zwei Fußballfelder mit Schweinen und Milchkühen sind nun verschwunden. Das motiviert mich. Ab heute spar ich mir die Bratwurst auf dem Straßenfest, Käse und Milch gibt’s nur noch jeden zweiten Tag, und im verpackungsfreien Laden einzukaufen hat sowieso viel mehr Spaß gemacht, als bei Aldi und Rewe.
Eine kleine Enttäuschung bleibt: 1,8 Erden sind immer noch zuviel. Mehr als eine Erde haben wir nun mal nicht. Wie kann das sein? In meinem Fußabdruck ist nicht nur enthalten, was ich individuell verbrauche, sondern auch das, was der Staat an Ressourcen verbraucht. Der Stromverbrauch von Krankenhäusern, der Bau von Schulen und Autobahnen wird auf alle Bürger umgerechnet. In Deutschland ist es deshalb gar nicht möglich, auf die zukunftsverträglichen 1,8 Hektar zu kommen. Wir leben hier auf großem Fuß.

P.S.: Kleines Update vier Wochen später - Ich habe seit meinem Selbstversuch kein Fleisch mehr gegessen und habe es noch nicht vermisst. Einmal die Woche ungefähr Fisch ist schon fein, und Milchprodukte habe ich nicht streng jeden zweiten Tag, aber zumindest nicht jeden Tag gegessen. Ich glaube, ich bleibe jetzt dabei.

Tags: Suche, Gesellschaft, Handeln


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